Wie klingt es und wie sollte es denn überhaupt klingen? - Teil 1 zur Klangbewertung
#1
Ja, ich weiß, erlaubt ist was gefällt und deshalb hört Ihr ja auch hin und sagt, wenn es Euch gefällt. Allerdings werden diese Erlebnisse dann als Erfahrungswerte geteilt und eben nicht unterschieden, was sich technisch auch belegen lässt und welcher Eindruck ausschließlich den Parametern der Psychoakustik geschuldet ist. 

Das soll jetzt keine Anklageschrift von wegen, Ihr macht es falsch werden sondern nur eine mehrteilige Anleitung, wie wir aus den Erfahrungen Anderer besser lernen können, die wichtigen Aspekte für uns mitnehmen können und so vielleicht die Wiedergabe bei uns im Hörraum weiter verbessern könnten.

Deshalb möchte ich in Teil 1 mit unserer Erwartungshaltung und einem Realitätscheck starten. Was also erwarten wir von unserer Illusionsmaschine? Da gibt es Begriffe wie Livehaftigkeit, Dynamik, reale Wiedergabe, schönen Bass, sauberen Hochton und so weiter. Nur was heißt das denn überhaupt?

Eine Bitte hätte ich allerdings: Nein, wir diskutieren hier bitte nicht auf Basis von individuellen Hörschädigungen oder von Geräten und Erlebnissen damit. Hier in Teil 1 geht es ausschließlich um welche Frequenzen finden wir in der Musik, wie weicht das von unserer Erwartungshaltung ab, von wem wird diese Erwartungshaltung geschürt und wie trägt diese falsche Erwartungshaltung dann zur Bewertung bei und wie können wir diese psychoakustischen Bewertungsschemata kanalisieren. Wenn Euer Beitrag also mit "Aber ich hör´s doch" o.ä. anfangen oder inhaltlich deckungsgleich wäre, dann passt er hier nicht hinein. Danke.

Erstmal sollten wir uns also das Musikmaterial etwas genauer ansehen. Der Frequenzumfang von (natürlichen Instrumenten) sieht wie folgt aus:

   
  • Den Bass, den sich Viele wünschen gibt es bei natürlichen Instrumenten eigentlich gar nicht; da müsste man sich schon ein Orgelkonzert mit einer richtig großen Orgel anhören, damit es da Frequenzen im Tiefbassbereich (20 bis 60 Hz) gibt. Bei Synthesizern oder Keyboards (also elektronisch erzeugten Tönen) kann es das allerdings geben
  • Den Ultrahochton, den sich Andere wünschen oder erwarten, gibt es eigentlich auch nicht; zumindest bei natürlichen Instrumenten und wenn dann müsste man sich auch hier eine richtig große Orgel oder eben elektronisch erzeugte Töne anhören
  • in der Realität nimmt sogar der Pegel zu hohen Tönen hin ganz natürlich ab, weil diese Töne prinzipiell nicht besonders energiereich wiedergegeben bzw. in egal welchem Raum eh meist sehr deutlich absorbiert werden.
  • Der für die Musikdarstellung essentielle Frequenzbereich liegt also nur zwischen ungefähr 60 Hz und 10 kHz; einzige Ausnahme das Klavier und die Orgel wobei hier allerdings in nur relativ wenigen Kompositionen Töne unterhalb von 40 Hz zu finden sind

Klar, jetzt kommen die Stimmen, welche über die Tonalität argumentieren und dort die Unterschiede vermuten. Hier würde ich eigentlich mit den in Testberichten und Publikationen dokumentierten Amplitudenfrequenzgängen und das sich diese außer bei Lautsprechern über das gesamte Frequenzband idR immer kleiner 2 dB  unterscheiden entgegnen können, habe die Gerätediskussion aber ja selbst erst oben eigentlich ausgeschlossen. Aber selbst wenn ich das Argument Tonalität quasi zulasse, so ist es für natürliche und nicht-natürliche Instrumente unterschiedlich zu verstehen und handhaben. 

Die Tonalität natürlicher Instrumente ist nachvollziehbar, vergleichbar und messbar. Es gibt ja weltweit z.B. genug Klaviere, die man miteinander vergleichen kann und wo dann sogar unterschiedliche Stimmungen in die Bewertungskriterien nachvollziehbar eingereiht und anhand von sogar Messungen bestätigt werden können. Das ist bei nicht-natürlichen Instrumenten allerdings gänzlich anders. Da gibt es zwar weltweit ebenfalls ein ganze Serie von z.B. Hammond-Orgeln oder Synthesizern, die elektrisch ident aussehen und trotzdem anders klingen, weil sie von Ihren Musikern anders eingestellt wurden. Und je mehr wir da in das Computer-Zeitalter und in Richtung Midis und Co. gehen, desto mehr sehen Geräte und deren generierte Artefakte nur auf den ersten Blick noch nach aus einer Gerätegattung aus, unterscheiden sich aber wegen der individuellen Konfiguration und Einstellung oder im Mastering nachträglich applizierter Effekte. Da gibt es also kein Template für den Vergleich und die Realitätsbestimmung, so dass sich der subjektive Eindruck mit einer strenggenommen gar nicht mehr reproduzierbaren Erwartungshaltung vermischt  und wir fast gänzlich von der Psychoakustik gesteuert werden. 

Was sagt uns das jetzt?

Vieles aus unserer Erwartungshaltung bei der Darstellung von Musik über unsere Anlage deckt sich nicht mit der Realität, fügt dem Musikstück auch nicht mehr Verständnismöglichkeiten oder besondere andere Eigenschaften bei. Wir sprechen also von Dingen, welche unsere Psyche sich einbildet (im Sinne von erwartet und deshalb auch fordert) und was unsere Bewertung damit unterbewusst sehr deutlich beeinflusst, wenn unsere Psyche das Erwartete nicht bekommt.
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Wie klingt es und wie sollte es denn überhaupt klingen? - Teil 1 zur Klangbewertung - von gelöschter_User - 07.01.24, 23:31

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