Kaufberatung für Vinyl Neulinge
#6
Das Thema scheint ja fast eingeschlafen zu sein; deshalb mache ich noch mal einen Vorstoß in Richtung welche technische Qualität ein Plattenspieler mindestens aufweisen sollte. Viele behaupten ja, dass man nicht wirklich viel benötige um das antiquierte Medium Schallplatte in bestmöglicher Qualität wiedergeben zu können. Ich sage dagegen, dass man mindestens die Spezifikationen, welche damals im Herstellungsprozess der Schallplatte erreicht wurden einstellen bzw. erreichen sollte, wenn es um bestmögliche technische Wiedergabequalität und Performance geht. Und da kommen dann schon ein paar Überraschungen zu Tage.

Während man z.B. in den Endfünfzigern in den Wohnzimmern eher auf Wechsler vom Schlage eines ELAC Miracord 200 oder eines DUAL 1006 (0,17% Gleichlaufschwankungen/ Rumpelgeräuschabstand 58 dB) traf, werkelte da ab in den Mastering-Studios bereits eine AM32-Schneidemaschine der Georg Neumann GmbH. Das war eine ausgereifte und sehr gute Maschine; schwer (insgesamt um die 95 kg), massiv (der Plattenteller allein wog annähernd 30kg) und technisch für damalige Verhältnisse sensationell gut (der Motor kam aus Schweden vom damals besten Hersteller Lyrec und war ein Ungetüm - Größe Waschmaschine und mit sehr hohem Drehmoment). Das Konstrukt ist eigentlich ein Direktantrieb, wobei die fette Berta (der LYrec Motor) mittels Gummielement mit einer langen Achse verbunden ist. Diese Achse geht durch den massiven Sockel von unten in den Plattenteller und ist dort fixiert.

   

Das ermöglichte das Mastering mit Gleichlaufschwankungen kleiner 0,02% (nach DIN, der Absolutwert lag sogar bei nur 0,0084% RMS) und einen Rumpelgeräuschabstand von bis zu ca. 70 dB, was so ungefähr 10-fach besser als die damalige Consumer-Klasse (DUAL 1006) war. Die AM32 kostet ja auch nur gut das 50-fache eines ELAC Miracord 200 oder DUAL 1006.

Bitte nicht falsch verstehen; klar kam und kommt aus einem DUAL 1006 Musik raus und klar haben unsere Vorfahren damals mit den Dingern sogar zufriedenstellend bis erfolgreich Party gefeiert und beschwert hat sich auch erstmal keiner. Das geht aber zur Not ja auch mit einem Küchenradio. Ich spreche also nicht davon, ob ein dedizierter Qualitätsstandard besser oder schlechter gefallen kann und auch nicht davon, dass man mit einem DUAL 1006nicht Musik hören könnte. Es geht darum, aufzuzeigen, wie weit die Phonotechnik im professionellen Bereich damals schon war, obwohl das Stereo-Zeitalter erst gerade begonnen wurde und die Mehrheit der verfügbaren Schallplatten noch Mono waren. Deshalb sprechen wir Ende der Fünfziger auch noch nicht von Kanaltrennung.

In die Stereozeit gehören dann die VMS-70 und VMS-80 aus gleichem Haus, welche diese sensationellen Werte noch weiter toppten. Die Kanaltrennung (im Füllschriftverfahren) war ebenso wie der erreichbare Dynamikumfang auch vom verwendeten Schneidkopf abhängig. Dazu aber zu einem späteren Zeitpunkt mehr. 

Hier wird erstmal nur deutlich, dass eine gute Wiedergabequalität mindestens einen Gleichlauf kleiner 0,02% und einen Rumpelgeräuschabstand größer 70dB erfordert, wenn wir 50er bis 60er Jahre Standard anlegen. Ein heutiger Project ist also gut 800-fach , ein moderner Thorens gut 25-fach schlechter als der 50er/ 60er Jahre Standard.
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Kaufberatung für Vinyl Neulinge - von Lenni - 17.10.22, 10:45
RE: Kaufberatung für Vinyl Neulinge - von gelöschter_User - 17.10.22, 12:06
RE: Kaufberatung für Vinyl Neulinge - von gelöschter_User - 06.01.23, 18:33
RE: Kaufberatung für Vinyl Neulinge - von gelöschter_User - 06.01.23, 23:17
RE: Kaufberatung für Vinyl Neulinge - von gelöschter_User - 07.01.23, 10:33

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